(r,s,q)-Politik

Bei Verfolgung einer $(r,s,q)$-Lagerhaltungspolitik wird nach folgender Entscheidungsregel vorgegangen:

Der Lagerbestand wird in Abständen von $r$ Perioden überwacht. Hat der (disponible) Lagerbestand am Überwachungszeitpunkt den Bestellpunkt $s$ erreicht oder unterschritten, dann wird eine Bestellung der Höhe $n\cdot q$ ausgelöst.

Im Unterschied zur $(s,q)$-Politik wird nicht nur die Menge $q$, sondern die Menge $n\cdot q$ bestellt. Die Verwendung des Faktors $n$ ist erforderlich, damit der disponible Lagerbestand unmittelbar nach der Auslösung der Bestellung den Bestellpunkt $s$ wieder überschreitet. Es kann bei großen Nachfragen (Auftragsgrößen) nämlich vorkommen, daß der disponible Lagerbestand unmittelbar nach Erreichen des Bestellpunkts, $b$, soweit unter $s$ gesunken ist, daß die Menge $q$ nicht ausreicht, um den Bestand wieder über das Niveau $s$ zu heben. Den Faktor $n$ errechnet man, indem man die Differenz ($s-b$) durch die Bestellmenge $q$ dividiert und gegebenfalls auf den nächsthöheren ganzzahligen Wert aufrundet. Die Menge $q$ kann beliebig festgelegt werden. Sie kann auch eine technisch vorgegeben Größe sein. Wenn man $q$ mit Hilfe ökonomischer Zielkriterien optimieren will, muß man berücksichtigen, daß - anders als in der $(s,q)$-Politik - die durchschnittliche Bestellmenge von $q$ abweicht. Dies hat Einfluß auf die fixen Bestellkosten, die in einem Optimierungsansatz den Lagerkosten gegenübergestellt werden.

Eine $(r,s,q)$-Politik ist daher eine (s,q)-Politik mit diskreter Bestandsüberwachung. Prinzipiell kann man auch Überwachungszyklen, die größer als 1 sind, verwenden. In einer $(r=5,s,q)$-Lagerpolitik wird z.B. am Ende jeder Periode der Lagerbestand erfaßt (und mit dem Bestellpunkt verglichen), aber nur höchstens in Abständen von 5 Perioden bestellt. Es kann dabei vorkommen, daß der Bestellpunkt unterschritten wird, aber erst nach 4 Perioden tatsächlich bestellt wird. Diese Lagerpolitik hat einen längeren Risikozeitraum als die $(r=1,s,q)$-Lagerpolitik.

Ein Beispiel zeigt den Effekt der Länge des Überwachungsintervalls auf die Höhe des Bestellpunkts (und damit den Lagerbestand). Nehen wir an, für ein Produkt entsteht Ersatzteilbedarf mit der Rate 0.3 pro Periode. Die Wiederbeschaffungszeit $L$ sei stochastisch mit $P\{L=1\}=0.4$, $P\{L=7\}=0.3$ und $P\{L=12\}=0.3$. Die Bestellmenge sei $q=5$. Es soll ein $\beta$-Servicegrad von 97.5% erreicht werden.

Die folgende Tabelle zeigt für unterschiedliche Werte des Überwachungsintervalls $r$ den resultierenden optimalen Bestellpunkt und den minimalen Lagerbestand:

Überwachungsintervall $r$ Bestellpunkt $s$ Lagerbestand
1 5 5.89
5 6 6.29
10 7 6.55
20 10 8.05

Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Überwachungsintervall, Bestellpunkt und Lagerbestand

Die meisten Softwaresysteme zum Bestandsmanagement vernachlässigen den Effekt des Überwachungsintervalls auf die Höhe des Bestellpunkts und die Lagerkosten. Dies führt zu suboptimalen Ergebnissen.

Siehe auch ...

Literatur

Günther, H.-O. und Tempelmeier, H. (2020). Supply Chain Analytics - Operations Management und Logistik. 13. Aufl., Norderstedt: Books on Demand.
Tempelmeier, H. (2020), Production Analytics. 6. Aufl., Norderstedt: Books on Demand.
Tempelmeier, H. (2020). Analytics in Supply Chain Management und Produktion - Übungen und Mini-Fallstudien. 7. Aufl., Norderstedt: Books on Demand.