Lösung von Losgrößenproblemen mit einem Standard-Solver

Vor allem Softwarehäuser sowie Unternehmensberater, die im Supply Chain Management und Advanced Planning unterwegs sind, verweisen darauf, daß sie auch Standard-Solver zur gemischt-ganzzahligen linearen Optimierung zur Lösung von Losgrößen- und Reihenfolgeproblemen einsetzen (können). Dies freut den OR-begeisterten Produktionsplaner, da Standard-Solver die exakte Lösung von Optimierungsproblemen, also auch von Losgrößen- und Reihenfolgeproblemen versprechen. Eine Zusammenstellung verschiedener Modellformulierungen mit unterschiedlicher Praxisnähe findet sich bei Tempelmeier(2020), Production Analytics. Dort wird auch darauf hingeweisen, daß Standard-Solver für die Lösung von Losgrößenproblemen mit praxisrelevanten Größenordnungen keine Alternative darstellen.

Im folgenden werden die Ergebnisse eines Rechenexperiments dargestellt, das die Entwicklung der Rechenzeit zur Lösung eines dynamischen Lösungsgrößenproblems mit Kapazitätsbeschränkungen, mehreren parallelen Maschinen und Rüstzeiten bei Einsatz eines Standard-Solvers demonstriert. Dabei wurde die effizienteste Modellformulierung (Modell CLSP-L-SD-SPL) eingesetzt.

Die Probleme mit 50 Produkten sind echte Praxisdaten. Die anderen Probleme wurden zufällig erzeugt.

Wir versuchen, die betrachteten Probleme soweit wie möglich exakt zu lösen. Die Berechnungen zeigen die CPU-Zeit, gemessen auf einem Surface-Notebook.

Maschinen
Produkte
Perioden
Auslastung (%)
Rechenzeit (Sek.)
Gap bei Abbruch (%)
Zeit bis 1. zulässige Lösung
2
6
6
69
3
80
11
87
25
87.5
30
88.3
65
2
6
10
69
25
2
8
10
89.5
70
40
2
8
10
90.2
195
140
76.7
423
77.5
1103
3
8
10
51.1
580
76.7
> 3 Std
9
3
50
3
17.45
117
3
50
6
> 3 Std

Die Ergebnisse zeigen, daß die Rechenzeit bei Einsatz eines Standard-Solvers bereits bei kleinen Problemgrößen explodiert. Der Verweis von APS-Softwarehäusern auf die Möglichkeit des Einsatzes eines Standard-Solvers ist daher äußerst fragwürdig.

Das betrachtete Losgrößenmodell ist bereits sehr komplex, berücksichtigt aber nicht alle Bedingungen, die in der betrieblischen Praxis relevant sein können. Bezieht man solche Bedingungen in die Modellformulierung mit ein, dann erhöhen sich die Rechenzeiten noch einmal.

 

 

Siehe auch ...

Literatur

Günther, H.-O. und Tempelmeier, H. (2020). Supply Chain Analytics - Operations Management und Logistik. 13. Aufl., Norderstedt: Books on Demand.
Tempelmeier, H. (2020), Production Analytics - Modelle und Algorithmen zur Produktionsplanung. 6. Aufl., Norderstedt: Books on Demand.