Static-Uncertainty Strategy

Dynamische stochastische Losgrößenplanung bei normalverteilter Periodennachfragemenge: Static-Uncertainty-Strategy, heuristische Verfahren

In den Moduln zu den stochastischen Lagerhaltungspolitiken, z.B. bei der $(s,q)$-Politik, wird angenommen, daß die Periodennachfragemenge eine stationäre Größe ist, die zwar zufälligen Schwankungen unterliegt, deren Mittelwert und Streuung im Zeitablauf aber konstant bleibt. Unter dieser Annahme kann man  für die Optimierung der Entscheidungsvariablen einen typischen Bestell- oder Produktionszyklus mit einer im Zeitablauf konstanten Bestellmenge bzw. Losgröße betrachten. Die Bestellmenge kann man dabei mit der klassischen Bestellmengenformel bestimmen.

In der Praxis findet man aber auch oft die Situation, daß die Erwartungswerte und Streuungen der Periodennachfragemengen prognostiziert werden und periodischen Schwankungen unterliegen. In diesem Fall muß man periodenspezifische Losgrößen bestimmen, die in Abhängigkeit von der Dynamik der Nachfrage auch periodenspezifische Sicherheitsbestände enthalten. Man kann sich daher auch nicht mehr auf einen typischen Bestell- oder Produktionszyklus konzentrieren, weil es einen solchen nicht mehr gibt.

Bei dynamischer und stochastischer Nachfrage kann man verschiedene Strategien verfolgen (siehe Bookbinder und Tan (1988):

  1. Static-Dynamic-Uncertainty Strategy: Hier legt man für den betrachteten Planungszeitraum eine oder mehrere Perioden fest, in denen ein Lagerzugang eingeplant wird. Die Höhe des Lagerzugangs (d.h. die Bestellmenge bei einem Lieferanten) wird so spät wie möglich unter Berücksichtigung der bis zum Bestellzeitpunkt bekannt gewordenen Nachfragemengen festgelegt. Angenommen, es soll jeden Dienstag bestellt werden. Vernachlässigt man die Wiederbeschaffungszeit bzw. wenn die Lieferung direkt am nächsten Morgen erfolgen kann, dann stellt man am Montag Abend den aktuellen Lagerbestand fest und bestellt die Differenz zwischen einem für Dienstag Morgen festgelegten Ziel-Lagerbestand $S$ und dem am Montag Abend beobachteten aktuellen Lagerbestand. Der Ziel-Lagerbestand wird in Hinblick auf die Stochastik der Periodennachfragemengen in der Zeitspanne bis zur nächsten Bestellung beim Lieferanten festgelegt. Diese Strategie ähnelt der $(r,S)$-Lagerhaltungspolitik. Im Unterschied zu dieser berücksichtigt sie aber die Dynamik der Nachfragemengen dadurch, daß die Bestellnveaus $S_t$ nicht konstant (wie in der $(r,S)$-Politik), sondern periodenabhängig festgelegt werden. Für den Lieferanten (oder für die eigene Produktionsabteilung) hat diese Strategie den Nachteil, daß die abgerufenen Mengen nicht vorhersehbar sind, weil sie von den stochastischen Nachfragemengen abhängen. Das erschwert eine kapazitätsorientierte Produktionsplanung.
  2. Static-Uncertainty Strategy: Hier legt man nicht nur die Bestellzeitpunkte, sondern auch die Höhe der jeweiligen Bestellmengen ex ante fest. Das bedeutet, daß man nicht mehr auf zufälligen Schwankungen der Nachfragemengen reagiert, sondern an dem ex ante festgelegten Produktionsplan festhält. 

Detaillierte Beschreibungen dieser Strategien und die Methoden zur Berechnung der Entscheidungsgrößen sind in Tempelmeier(2020a) zu finden.

In diesem Modul wird ein heuristisches Verfahren zur Bestimmung der Losgrößen in einem dynamischen unkapazitierten Losgrößenproblem mit stochastischer Nachfrage eingesetzt. Dabei wird die  Static-Uncertainty Strategy angenommen, nach der im Voraus sowohl die Produktionstermine bzw. -perioden als auch die jeweiligen Losgrößen festgelegt werden. Das Ziel besteht darin, die Summe aus Rüstkosten (bzw. fixen Bestellkosten) und Lagerkosten zu minimeren. Dabei soll ein zyklusbezogener $\beta$-Servicegrad eingehalten werden. Kapazitäten werden vernachlässigt.

Zur Lösung des betrachteten Problems wird eine stochastische Version des heuristischen Silver-Meal-Verfahrens, das ursprünglich für deterministische Nachfrage entwickelt wurde,  eingesetzt. Die Ergebnisse können mit Hilfe einer Simulation überprüft werden.

Symbole:

D(t) Nachfragemenge in Periode t
Y(t) Kumulierte Nachfragemenge der Perioden 1 bis Periode t
Y(i,j) Gesamte Nachfragemenge in den Perioden i bis j
E{F(i,j)} Erwartungswert der Fehlmenge in den Perioden i bis j
q(t)} Losgröße in Periode t
Ip(t) Physischer Bestand am Ende der Periode t
If(t) Fehlbestand am Ende der Periode t
ß(c)(t) zyklusbezogener $\beta$-Servicegrad (berechnet für die Peiode t)

Annahmen:

Nach der Dateneingabe startet man mit dem "Berechnen"-Knopf die Berechnungen. Mit der Auswahl des Tab-Reiters "Simulation" werden die Ergebnisse übernommen und man kann eine Simulation durchführen.

Literatur:

- Bookbinder, J. und J.-Y. Tan (1988). Strategies for the probabilistic lot-sizing problem with service-level constraints. Management Science 34, 1096–1108 
- Tempelmeier, H. and S. Herpers (2011), Dynamic uncapacitated lot sizing with random demand under a fillrate constraint. European Journal of Operational Research 212, 497–507
- Tempelmeier, H. (2020a), Production Analytics - Modelle und Algorithmen zur Produktionsplanung, 6. Auflage, Norderstedt (Books-on-Demand)

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